Aflenzer Bürgeralm
Die Erlebnisse des Skilehrers „Fraunz"
Eine Liebeserklärung an die Aflenzer Bürgeralm von Stefan Lichtenegger
Den ganzen Tag durch den Graben zwischen den zwei Lärchenwäldchen im Neuschnee runter und dann weiter die sechs Kilometer lange Forststraße "ois Hocke" ins Tal zum Ausgangspunkt des damaligen Einser-Sessellifts der Aflenzer Bürgeralm. Ich schätze, ich war damals zehn Jahre alt, meine um ein Jahr jüngere Schwester war mir immer in einem Abstand von einem bis 20 Meter auf den Fersen. Ich meine also wahrscheinlich den Winter 1978/79. Seit damals bin ich somit schon Fan dieses zu Unrecht so wenig bekannten Naturschneeparadieses, das schon seit einigen Jahren um sein Weiterbestehen als Skigebiet kämpft.
Kein Gedrängel am Lift
Mir persönlich könnte das als - inzwischen fast nur noch - Skitourengeher ja eigentlich recht sein, es würde die Bürgeralm zum reinen Skitourenparadies machen, aber letztlich schätze ich den Charme dieses Schigebiets mit seinen wenigen Gästen, mit dem "Vintage"-Zweiersessellift auf die Alm und den dort gelegenen zwei Schleppliften, zwei Kinderliften und dem 4-er Sessellift. Gott sei Dank, man muss sich nie am Lift anstellen und auch nicht fürchten, von irgendeinem Vollkoffer auf der Piste niedergerammt zu werden. Hinzu kommen moderate Preise, die Wirtshäuser auf der Alm, bei Sonnenschein ideale "Genuss- und Wohlfühl"-Plätzchen und die Tatsache, dass nicht wie wahnsinnig planiert wird, was bedeutet, dass es auf den Seiten, bei den Lärchenwäldchen, im Graben und östlich vom Jauringalm-Schilift oft sehr schöne Tiefschneehänge gibt. Zischt man beim letztgenannten mal im Tiefschneerausch zu weit ab, Richtung Jauring Almhütten, ist der mühsame Wiederaufstieg unumgänglich. Die Tatsache, dass man sich dem Kunstschnee verweigert hat, bewundere ich, wobei die schneearmen Winter der letzten Jahre im Zusammenhang mit der Südlage des Gebiets (Schönleiten) sicherlich Einbußen bedeutet haben.
Bergsteirer lügen nie!
Zurück in den Tiefschnee: Es war wohl der Winter 1991/92, da bin ich für ein paar Tage mit meiner damaligen Wiener Freundin erstmals seit vielen Jahren wieder nach Aflenz gefahren. Es fiel Schnee ohne Ende, zusätzlich herrschte oben dichter Nebel. Und man hat damals unglaublicherweise extra für uns zwei den oberen Sessellift aufgedreht. Die Liftwarte bekämpften die Kälte möglicherweise – und verständlicherweise - mit Hochprozentigem, auf jeden Fall, irgendwo kurz vor dem Ausstieg beim Schönleitenhaus, das man aufgrund des Nebels und des dichten Schneefalls nicht sehen konnte, wurde der Lift abgedreht. Da saßen wir nun, wir zwei Stadteier, meine Freundin aus gutem bürgerlichen Hause in Hietzing meinte sofort: "Die haben uns sicher vergessen!". Aber ich beruhigte sie, dass das Volk der Bergsteirer ein zuverlässiges sei, beim Lügen hatte ich noch nie Probleme. Spätestens gefühlte 10 Stunden später (es waren sicherlich nur maximal 15 Minuten) hat sich doch noch einer an uns erinnert. Wir kamen halberfroren oben an und stürzten uns in den genialen Neuschnee.
Ausgrabungen im Tiefschnee
Ich hatte zum ersten Mal ein Snowboard mit, eines das aufgrund seiner Größe eher einem Surfboard glich, ein riesiges Stück Holz, heute auf Pisten unvorstellbar. Aber im Tiefschnee glaubte man zu fliegen und ich habe für ein paar Jahre das Schifahren aufgegeben, weil dieses Schwebegefühl auf dem Board so unbeschreiblich schön war. Meiner Freundin erklärte ich noch, bei einem Sturz meinerseits nicht im Tiefschnee stehen zu bleiben, da die Gefahr ihrerseits zu stürzen groß war und ich dann uns beide ausgraben müsste. Prompt im Steilhang ist es passiert, ich stürzte und meine Freundin, die grundsätzlich und überhaupt immer das Gegenteil von dem tat, worum ich sie bat, stürzte beim Versuch stehenzubleiben 20 Meter unter mir. Soviel Schnee damals, ein Wahnsinn, und kein Stückchen Piste präpariert. Um letztlich mich und sie auszugraben wendete ich sicherlich eine halbe Stunde auf. Okay, für den Wohlfühl-Urbano mag das jetzt eher anstrengend und langweilig klingen, aber ich habe es geliebt. Einsame Hänge für mich (uns) allein und, damals noch nicht ahnend, dass ich mal Anhänger des Animismus werden würde, voller Glücksgefühle, die meines Erachtens der Hauptgrund sind, warum ich so gerne in den Bergen unterwegs bin. Am nächsten Tag dann strahlender Sonnenschein, wie üblich kaum Schifahrer und ich mit meinem Riesenbrettl über die unpräparierten Hänge geschwebt, nein, geflogen.
Wunderschöner Blick auf den Hochschwab
Warum ich Aflenz bis heute so schätze, ist, dass sich diesbezüglich so wenigverändert hat. Bei Sonnenschein ist der 360 Grad Rundumblick vom Schönleitenhaus aus phänomenal, der Blick zum Hochschwab wunderschön. Es kommen auch Rodler und Leute, die mit Schi und Fallschirmen runter wollen, hinauf, verstärkt natürlich Schitourengeher, meist über die Forststraße. Es gibt hier verschiedene Möglichkeiten, am schönsten ist es wahrscheinlich über den Wanderweg, der einmal die Lifttrasse kreuzt und im oberen Teil vor der Alm sehr steil wird. Man kann, oben auf der Alm angekommen, östlich von der Jauring Alm weiter aufsteigen, ohne das eigentliche Schigebiet zu kreuzen und entweder weiter Richtung Hochschwab oder eben in einem Bogen zum Schönleitenhaus gehen. Kurz davor liegt ein kleiner See, der, im Winter zugefroren, mit dem Hochschwab im Hintergrund eine sehr schöne Kulisse bildet.
Heldenhafter Skilehrer „Fraunz"
Eine Episode noch, die die bereits genannte Zuverlässigkeit des Bergsteirers nochmals etwas ins Licht rücken soll. Bei Nebel ist das Gebiet aufgrund seiner weiten Fläche recht entrisch, Richtung Hochschwab gibt's außerdem ein paar Felsabstürze. Wie leicht man die Orientierung im Nebel verlieren kann, weiß nur, wer schon mal die Orientierung im Nebel verloren hat und für Neulinge kann diesbezüglich die Aflenzer Bürgeralm schon unheimlich erscheinen. Bei solch dichtem Nebel komme ich oben bei der Bergstation an und entdecke dort für die Wetterverhältnisse ein doch recht großes Grüppchen, ca. 20 Personen stehen zusammen. Ich stelle mich etwa fünf Meter daneben, als einer aus der Gruppe, ein Wiener, zum Liftwart hinauf schreit: "Ist das jetzt endlich der Schilehrer, der uns runter bringt?". Woraufhin der Liftwart kurz aus seinem Häuschen trat und rief: „Jo, Jo, des is a" und zu mir: „Frauuuunz, fiars owi!", schloss die Türe hinter sich und ward nie mehr gesehen. Der Liftwart kannte mich zwar gar nicht und ich heiße natürlich nicht „Frauuunz", aber die Art und Weise, wie er ein Problem gelöst hat, beeindruckte mich sehr. Andere studieren dafür jahrelang Psychologie, Pädagogik und noch ein bisschen Sprachwissenschaften und bringen es niemals so auf den Punkt. Also startete ich bei einer Sichtweite von fünf bis zehn Metern mit einer Gruppe, hauptsächlich Osteuropäer, denen sich dann im Laufe der Fahrt noch ein paar Italiener anschlossen, wie sich die nach Aflenz verirrt haben, war mir ein Rätsel. Alle paar Minuten bin ich stehengeblieben, und die Leute haben sich abgezählt. Da die Gruppe im Laufe der Zeit größer wurde, ging wohl keiner verloren und ich war als "Schilehrer Fraunz" für Warhol'sche 15 Minuten der Held des Tages.
Zu ergänzen ist, dass es eine Naturrodelbahn gibt, im Tal herrliche Langlaufloipen und bei den Felsen unter der Alm einen sehr interessanten Klettersteig , hauptsächlich B-D, mit einer Stelle im Schwierigkeitsgrad F, ziemlich absurd, aber Naja, man kann diese Stelle auch umgehen, so wie ich es einmal noch an einem 27. Oktober bei Südföhn gemacht habe. Ein herrliches Tagerl mit einem sagenhaften Himmel über dem Hochschwab und den Eisenerzer Alpen, sodass ich dann noch lange auf der Alm oben in der Sonne lag und dachte: "Fraunz, ich freu' mich echt schon auf den nächsten Winter."








